Audio: General ausser Gefecht
Video: Historiker:innen ergänzen
Warum kämpfte Salis Soglio zuvorderst auf dem Gefechtsfeld und Dufour nicht?
Die Reussbrücke
Hauptverbindung seit 600 Jahren
Die Reussbrücke ist ein Wahrzeichen Gisikons. Sie prägte die Vergangenheit der Gemeinde sowohl in wirtschaftlicher als auch politischer Hinsicht und ist heute eine Zeitzeugin des Umbruchs zur modernen Schweiz.
Angelegt wurde sie 1432 als gedeckte Holzbrücke über die Reuss. Bis 1640, als die Brücke in Sins gebaut wurde, war sie die einzige Reussüberquerung zwischen Luzern und Bremgarten. Für den Marktzugang war dies von grosser Bedeutung, da das Freiamt eine Kornkammer war.
Mehrmals umkämpft, musste die Brücke in Gisikon in den 1480er Jahren, 1715 und 1854 nach dem Sonderbundskrieg neu errichtet werden. Auf den Darstellungen, die den Sonderbundskrieg meist im Nachhinein festhielten, diente die Brücke häufig als Orientierungsmerkmal, um auf den Ort des Gefechts, nämlich Gisikon, hinzuweisen.
400 Jahre lang befand sich hier eine Zollstelle mit Tavernenrecht. Das Gebäude des heutigen Gasthauses Tell wurde als letzte Zollstelle errichtet. Der Bau wurde Ende 1847, einige Wochen nach dem Sonderbundskrieg, fertiggestellt. Schon im darauffolgenden Jahr wurde die Schweiz ein Bundesstaat.
Die Bundesverfassung hob im Jahr 1848 die Binnenzölle zwischen den Kantonen auf. Damit verschob sich die Zollstelle an die Rheingrenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Ein ehemaliger Zöllner und Metzger pachtete damals das Haus. Seither diente es hauptsächlich als Gastwirtschaft.
Die aufkommende Mobilität und die Reusskorrektion bedingten, dass 1934 die hölzerne Brücke durch eine Eisenbetonkonstruktion ersetzt wurde. Die neu erstellte Autobahn führte zu einem erneuten Eingriff in den Brückenbau. Mitte der 1970er Jahre wurde die Zufahrtsbrücke über die Reuss eröffnet und 2021 durch bauliche Massnahmen weiter angepasst.
Durchbruch im Sonderbundskrieg
Die Brücke im Krieg
Das Gefecht in Gisikon trug am Dienstag,
23. November 1847, zur Entscheidung im Sonderbundskrieg zugunsten der Tagsatzungsarmee von General Dufour bei. Die Brücke stellte für den Sonderbund eine Schlüsselstelle in der Abwehr dar. General Salis Soglio ging davon aus, dass, wenn die Brücke fällt, die Stadt Luzern eingenommen würde. Deshalb übernahm er das Kommando. im Gegensatz zu General Dufour, der Befehle ausserhalb des Gefechtsfeldes erteilte, stand Salis Soglio an diesem Tag in Gisikon selber inmitten des Geschehens.
Die überraschung war, dass nicht ein Direktangriff der Tagsatzungstruppen auf die Brücke erfolgte. Dufour entschied sich vielmehr für einen flankierenden Angriff: in Eien überquerten die Truppen die Reuss und bewegten sich über Honau in Richtung Gisikon. Die Brücke wurde kurze Zeit später eingenommen. Aus diesem Grund fanden am gleichen Tag die Gefechte vor Meierskappel, Honau und in Gisikon statt. An der Brücke standen etwa 5000 Männer des Sonderbundes den rund 9000 Männern der Tagsatzungsarmee gegenüber.
Dass die Sonderbundstruppen unterlegen waren, hing auch damit zusammen, dass die Zuständigkeiten nicht geregelt waren. im Nachhinein bezeichnete General Salis Soglio den Sonderbundskrieg als «Trauerspiel». Dufours Truppen hingegen griffen zielgerichtet und organisiert an. Salis Soglio wurde bei der Verteidigung der Brücke am Kopf verwundet, überlebte jedoch. Er befahl den Rückzug. Am nächsten Tag, am 24. November 1847, kapitulierte Luzern.
Nachweise und Literaturtipps
Amiet Jakob, Der siegreiche Kampf der Eidgenossen gegen Jesuitismus und Sonderbund, Solothurn 1848, S. 266 ff. Die Zerstörung in Gisikon ab S. 286 ff, online: https://books.google.ch/books?id=ecFAAAAAYAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false.
Bucher Erwin, Die Geschichte des Sonderbundkrieges, Zürich 1966.
Bundesamt für Strassen ASTRA, Info 3, Umgestaltung und Erneuerung A14-Anschluss Gisikon-Root, Januar 2021: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiF5oOzqIP7AhVrhv0HHXX_CTwQFnoECA8QAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.astra.admin.ch%2Fdam%2Fastra%2Fde%2Fdokumente%2Fautobahnschweiz_-filialezofingen%2F2021_Astra_AS_Gisikon_info3.pdf.download.pdf%2F2021_Astra_AS_Gisikon_info3.pdf&usg=AOvVaw03kRtAAPyVYNdi405-1FXx .
Elgger Franz von Schaffhausen, Des Kantons Luzern und seiner Bundesgenossen Kampf gegen den Radikalismus vom 8. Dezember 1844 bis 24. November 1847 und mein Antheil an demselben, 1850, siehe: S. 500
Gemeinde Gisikon: https://www.gisikon.ch/portraet/geschichte.html/33.
Gemeinde Honau: http://www.honau.ch/pdf/Geschichte.pdf.
HLS, Gisikon, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000618/2006-11-13/.
HLS, Salis Soglio, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/024231/2012-09-11/.
HLS, Sonderbund, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017241/2012-12-20/#HDerKriegsverlauf.
SRF, Regionaljournal, Schlacht von Gisikon, 27.11.22, https://www.srf.ch/news/schweiz/schlacht-von-gisikon-krieg-auf-schweizer-boden-letztmals-vor-175-jahren.
Tanner Jakob, Experteninterview vom 9. November 2022 mit dem Büro für Geschichte.
Troxler Walter, So gestochen wie geschossen? Luzern und der Sonderbundskrieg in alten Darstellungen, Inwil 2022.
Troxler Walter, Experteninterview vom 25. Oktober 2022 mit dem Büro für Geschichte.
Zur Fotografie von Pater Emmanuel Wagner zu Joseph Amstutz: siehe auch: Pfrunder, Peter (Hg.): Seitenblicke. Die Schweiz 1848 bis 1998. Eine Photochronik, Zürich, Offizin 1998.
StALU, PA 285/1163, Lütolf Konrad, Pfarrgeschichte von Root Festschrift zur II. Jahrhundertfeier des Bestandes der Pfarrkirche, Root 1908. Über die Zeit des Pfarrers Jost Egli während des Sonderbundskrieges siehe S. 165.
Bildnachweise
Abb. 1: ETH Bildarchiv, Fotograf Emil Goetz, Gisikon 1913.
Abb. 2: Gemeinde Gisikon, gezeichnet Meierkolb 2023.
Abb. 3: ZHB Luzern Sondersammlung, LKa.32.14, Gisikon, Stand der Arbeiten 3.4.1934.
Abb. 4: Sammlung Heiri Hüsler, Gisikon Richtung Inwil, undatiert.
Abb. 5: Astra 2020, Umgestaltung und Erneuerung A14-Anschluss Gisikon-Root.
Abb. 6: Schweizerische Nationalmuseum, LM-38634, Bleistiftzeichnung Gefecht bei Gisikon, um 1847.
Abb. 7: Pater Emmanuel Wagner (1853–1907), Stiftsarchiv Kloster Engelberg, vermutlich Joseph Alois Amstutz (1822-1901).
Abb. 8: Fotografie Hauptmann Bartholome Würzer von Hundwil (AR): Privatbesitz Ernst Bänziger, Herisau; Digitalisat Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, KB-015052 auf: https://www.zeitzeugnisse.ch/detail.php?id=145&stype=4 .
Abb. 9: Wikipedia gemeinfrei, Darstellung des Sonderbundskriegs in Forbes Archibald Publikation über die «Battles oft he nineteenth century» von 1901.
Abb. 2: Wie bedeutsam die Brücke für Gisikon ist, zeigt sich im Gemeindewappen. Die goldene Brücke mit zwei silbernen Pfeilern ist von oben dargestellt.
Abb. 3: 1934 wurde die Eisenbetonbrücke gebaut. Erst nach deren Fertigstellung wurde die 1854 gebaute Holzbrücke abgerissen.
Abb. 4: Die alte Strassenbrücke um 1950 zwischen Gisikon und Inwil, vor der Zeit der Autobahn. Auffallend ist die landwirtschaftlich geprägte Umgebung. Auf Inwiler Seite schmückten zwei Pappeln die Brückenauffahrt. Vor der Brücke in Gisikon ist die Bahnunterführung zu erkennen.
Abb. 5: «Zwillinge treffen sich nach 47 Jahren»: Bis 2021 bestand die Reussbrücke aus zwei getrennten Brücken. Der Zwischenraum von 90 Zentimetern war aber nicht sichtbar. Im Rahmen der Umgestaltung und Erneuerung des Anschlusses Gisikon-Root 2020/21 wurden die beiden 1973 in Betrieb genommenen Brücken vereint. Statt 80 Tonnen sind nun Ausnahmetransporte bis 240 Tonnen möglich.
Abb. 6: Die Bilder und Stiche zeigen oftmals die Brücke als Referenz, um auf Gisikon zu verweisen. Als wahrheitsgetreu sollten die Darstellungen nicht verstanden werden. Vielmehr ging es darum, mehrere Geschehnisse verdichtet und idealisiert zu zeigen.
Abb. 7: Fotografie von 1884: Vermutlich ist hier Joseph Alois Amstutz (1822–1901) zu sehen. Er kämpfte auf der Seite des Sonderbundes und verlor beim Gefecht in Gisikon als 25-Jähriger sein linkes Bein. Er wurde auch «Eibei-Plazi» oder «Einbein-Melk» genannt. Es handelt sich um eine seltene Fotografie eines Kriegsversehrten des Sonderbundskrieges.
«Furchtbar war der Anblick des Schlachtfeldes, denn überall bot sich den durchmarschierenden Truppen das Bild der Zerstörung dar. Bäume waren zusammengestürzt. Die Häuser waren von den vielen Kanonenkugeln durchlöchert, die Fenster abgerissen und zersplittert. Mit zertrümmerten Gerätschaften war das Zollhaus angefüllt. Ringsum lagen am Boden hier Flinten, Stutzer, Säbel, Kugeln, Tschakkos und Mützen in bunter Menge. Dort stolperten verwundete Pferde im Todeskampfe umher. Wehmuth erregte der Anblick der gefallenen und verwundeten Sonderbündler, von denen einige von den feindlichen Truppen zurückgelassen wurden. Vor allem aber war der Anblick der theils durch nachgezogenes Gesindel, theils auch durch die unbezähmbare Wuth einzelner Soldaten rings in den Dörfern verursachten Brandstiftungen grauenerregend. […]»
Jakob Amiet (1817–1883) kam aus Solothurn und stellte sich als Radikaler gegen den Sonderbund. Seine Schilderung zeichnete er ein Jahr nach dem Kampf in Gisikon auf.
Abb. 8: Fotografie von Hauptmann Bartholome Würzer (1815-1879) aus Hundwil (AR) um 1870. Er kämpfte auf Tagsatzungsseite und hielt fest:
«Endlich war die Schanze Gislikon, auf welche unsere [General Dufours] Batterien feuerten, vom Feind [den Sonderbündlern] nicht mehr zu halten, und es ertönte von allen Seiten: Vorwärts, vorwärts! Bis auch wir selber in Gislikon und später auf dem Rootenfeld, wo über 10’000 Mann von General Dufour in einem Biwak lagerten, ankamen […]»
Hauptmann Bartholome Würzer zur Erfahrung des Sonderbundskrieges 1847:
«Das Jahr 1847 ist vielleicht das wichtigste und folgenreichste Jahr in unserer Lebensperiode […]»
Tafeltexte & Bilder
Nachweise und Literaturtipps
Amiet Jakob, Der siegreiche Kampf der Eidgenossen gegen Jesuitismus und Sonderbund, Solothurn 1848, S. 266 ff. Die Zerstörung in Gisikon ab S. 286 ff, online: https://books.google.ch/books?id=ecFAAAAAYAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false.
Bucher Erwin, Die Geschichte des Sonderbundkrieges, Zürich 1966.
Bundesamt für Strassen ASTRA, Info 3, Umgestaltung und Erneuerung A14-Anschluss Gisikon-Root, Januar 2021: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiF5oOzqIP7AhVrhv0HHXX_CTwQFnoECA8QAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.astra.admin.ch%2Fdam%2Fastra%2Fde%2Fdokumente%2Fautobahnschweiz_-filialezofingen%2F2021_Astra_AS_Gisikon_info3.pdf.download.pdf%2F2021_Astra_AS_Gisikon_info3.pdf&usg=AOvVaw03kRtAAPyVYNdi405-1FXx .
Elgger Franz von Schaffhausen, Des Kantons Luzern und seiner Bundesgenossen Kampf gegen den Radikalismus vom 8. Dezember 1844 bis 24. November 1847 und mein Antheil an demselben, 1850, siehe: S. 500
Gemeinde Gisikon: https://www.gisikon.ch/portraet/geschichte.html/33.
Gemeinde Honau: http://www.honau.ch/pdf/Geschichte.pdf.
HLS, Gisikon, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000618/2006-11-13/.
HLS, Salis Soglio, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/024231/2012-09-11/.
HLS, Sonderbund, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017241/2012-12-20/#HDerKriegsverlauf.
SRF, Regionaljournal, Schlacht von Gisikon, 27.11.22, https://www.srf.ch/news/schweiz/schlacht-von-gisikon-krieg-auf-schweizer-boden-letztmals-vor-175-jahren.
Tanner Jakob, Experteninterview vom 9. November 2022 mit dem Büro für Geschichte.
Troxler Walter, So gestochen wie geschossen? Luzern und der Sonderbundskrieg in alten Darstellungen, Inwil 2022.
Troxler Walter, Experteninterview vom 25. Oktober 2022 mit dem Büro für Geschichte.
Zur Fotografie von Pater Emmanuel Wagner zu Joseph Amstutz: siehe auch: Pfrunder, Peter (Hg.): Seitenblicke. Die Schweiz 1848 bis 1998. Eine Photochronik, Zürich, Offizin 1998.
StALU, PA 285/1163, Lütolf Konrad, Pfarrgeschichte von Root Festschrift zur II. Jahrhundertfeier des Bestandes der Pfarrkirche, Root 1908. Über die Zeit des Pfarrers Jost Egli während des Sonderbundskrieges siehe S. 165.
Bildnachweise
Abb. 1: ETH Bildarchiv, Fotograf Emil Goetz, Gisikon 1913.
Abb. 2: Gemeinde Gisikon, gezeichnet Meierkolb 2023.
Abb. 3: ZHB Luzern Sondersammlung, LKa.32.14, Gisikon, Stand der Arbeiten 3.4.1934.
Abb. 4: Sammlung Heiri Hüsler, Gisikon Richtung Inwil, undatiert.
Abb. 5: Astra 2020, Umgestaltung und Erneuerung A14-Anschluss Gisikon-Root.
Abb. 6: Schweizerische Nationalmuseum, LM-38634, Bleistiftzeichnung Gefecht bei Gisikon, um 1847.
Abb. 7: Pater Emmanuel Wagner (1853–1907), Stiftsarchiv Kloster Engelberg, vermutlich Joseph Alois Amstutz (1822-1901).
Abb. 8: Fotografie Hauptmann Bartholome Würzer von Hundwil (AR): Privatbesitz Ernst Bänziger, Herisau; Digitalisat Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, KB-015052 auf: https://www.zeitzeugnisse.ch/detail.php?id=145&stype=4 .
Abb. 9: Wikipedia gemeinfrei, Darstellung des Sonderbundskriegs in Forbes Archibald Publikation über die «Battles oft he nineteenth century» von 1901.